Prof. Dr. med Hans-Christian Kolberg
Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Marienhospital Bottrop
Brustkrebs – die wichtigsten Fakten verständlich zusammengefasst
Bei der Erkrankung Brustkrebs beginnen Zellen der Brustdrüse unkontrolliert zu wachsen, so entsteht ein Tumor in der Brust. Das Wort Tumor zeigt noch keine Bösartigkeit an, sondern ist zunächst nur das griechische Wort für Schwellung. Wächst dieser Brusttumor unter Zerstörung der Umgebung in umliegendes Gewebe ein, spricht man von einem bösartigen Tumor. Ein anderes Wort für Brustkrebs ist „Mammakarzinom“, wobei sich dieser Begriff aus dem lateinischen Wort für die weibliche Brust Mamma und dem wissenschaftlichen Begriff Karzinom, der eine bestimmte bösartige Tumorart beschreibt, zusammensetzt.
Ob ein Tumor gutartig oder bösartig ist, lässt sich durch eine feingewebliche Untersuchung des Tumorgewebes nach einer minimal-invasiven Gewebeprobe feststellen. Nur die feingewebliche Untersuchung – niemals die Tastuntersuchung, die Mammographie, der Ultraschall oder andere bildgebende Untersuchungen – bestätigt die Diagnose Brustkrebs. Alle anderen Untersuchungen dienen dazu, einen Verdacht auszusprechen und die Indikation zur Probeentnahme zu stellen.
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen mit über 70.000 Erkrankungen pro Jahr in Deutschland. Das bedeutet, dass 13 von 100 Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkranken oder etwa jede 8. Frau.
Obwohl das mittlere Erkrankungsalter bei etwa 65 Jahren liegt ist eine von sechs Frauen zum Zeitpunkt der Erkrankung jünger als 50 Jahre. Nachdem in Deutschland das Mammographiescreening zur Früherkennung von Brustkrebs eingeführt wurde, wurden zunächst mehr Neuerkrankungen entdeckt. Seitdem werden allerdings kontinuierlich weniger Diagnosen gestellt und die Tumoren werden häufiger in einem früheren Stadium entdeckt.
Auch wenn das Alter, in dem Frauen ihr erstes Kind bekommen, immer weiter ansteigt und ja gleichzeitig das Risiko für Brustkrebs mit dem Lebensalter immer größer wird, ist die Diagnose einer Brustkrebserkrankung während einer Schwangerschaft mit 1 von 3000 schwangeren Frauen eher selten.
Auch Männer erkranken an Brustkrebs. Etwa 1% der Brustkrebsdiagnosen werden bei Männern gestellt. Für Deutschland bedeutet das, dass über 700 Männer pro Jahr an einem Mammakarzinom erkranken. Auch bei Männern spielt das Alter eine wichtige Rolle, das mittlere Erkrankungsalter liegt bei rund 71 Jahren.
90 -95% aller Krebserkrankungen treten spontan auf, nur bei 5-10% gibt es vererbbare Veränderungen an der Erbinformation, sogenannten Risikogenen, die für die Erkrankung an Krebs verantwortlich gemacht werden. Vererbt wird dabei natürlich nicht die Krebserkrankung selbst, sondern die Veranlagung, Krebs zu entwickeln. Auch für Brustkrebs sind solche Risikogene bekannt. Da die Wahrscheinlichkeit, eine Erbgutveränderung an seine Kinder weiterzugeben, 50% beträgt, erbt die Hälfte der Nachkommen dieses Risiko.
Natürlich erkrankt nicht jeder oder jede, der oder die die krebsfördernde Veränderung im Erbgut in sich trägt, deswegen zwangsläufig an Krebs, aber das Risiko ist je nach Art der Genveränderung zum Teil deutlich erhöht.
Es gibt auch Familien, bei denen zum Teil mehrere Erkrankte an Brust- oder Eierstockkrebs (die Risikogene für beide Erkrankungen haben viele Überschneidungen) bekannt sind, aber keine Risikogenveränderungen gefunden werden. Das kann einerseits daran liegen, dass eine Genveränderung vorliegt, die noch nicht bekannt ist, andererseits kann es auch Ausdruck der Tatsache sein, dass aufgrund eines ähnlichen Lebensstils in Familien häufig ähnliche andere Risikofaktoren vorliegen. Ein Beispiel hierfür sind zum Beispiel Rauchen oder Übergewicht.
Besteht in einer Familie der Verdacht auf das Vorliegen von Risikogenveränderungen für Brust- oder Eierstockkrebs, sollten Ratsuchende sich an ihre Ärztinnen und Ärzte wenden. Eine gute Anlaufstelle sind auch die zertifizierten Brustzentren, die entweder selbst eine Sprechstunde für die Beratung haben oder eine Kooperation mit dem Konsortium für erblichen Brust- und Eierstockkrebs oder einer Humangenetik abgeschlossen haben. Wenn dann wirklich eine Veränderung in den Risikogenen gefunden wird, muss gemeinsam entschieden werden, ob eine intensivierte Vorsorge und Früherkennung oder sogar prophylaktische Operationen wie eine Entfernung der Brüste und/oder der Eierstöcke angezeigt sind. Bei an Brustkrebs Erkrankten wird heutzutage das Risiko für eine Genveränderung automatisch mit der Erstdiagnose in den zertifizierten Brustzentren berechnet und bei Bedarf eine genetische Untersuchung veranlasst.
Brustkrebs, der auf die Brust und die Lymphknoten beschränkt ist, ist eine heilbare Erkrankung. Leider kann Brustkrebs auch lebenswichtige Organe wie die Lunge, die Leber, die Knochen oder das Gehirn befallen. In diesem Fall ist das Ziel der Behandlung nicht die Heilung, sondern die Verzögerung des Verlaufs und der Erhalt der Lebensqualität.
Da Brustkrebs eine grundsätzlich lebensbedrohliche Krankheit ist, ist natürlich eine Therapie notwendig. Ebenso wie bei anderen Behandlung in der Medizin gilt aber auch bei der Therapie von Brustkrebs, dass bei der Therapiewahl eine gründliche Abwägung des Nutzens der Behandlung und ihren Risiken erfolgen muss.
Ganz grob spielen vor allem diese Faktoren eine Rolle bei der Therapiewahl:
• Tumorstadium (Größe und Ausbreitungsmuster des Tumors)
• Tumorbiologie (feingewebliche und biologische Eigenschaften des Tumors)
• Alter
• körperliche Verfassung des oder der Erkrankten
• ganz wichtig: persönliche Wünsche und Einstellungen des oder der Erkrankten
Die Entscheidungen für die einzelnen Behandlungsschritte werden gemeinsam von Ärztinnen und Ärzten und Erkrankten gründlich diskutiert und abgewogen. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Ärzteteams, für die Erkrankten zu entscheiden, sondern sie mit Informationen über die Prognose und die Therapieoptionen zu versorgen und dadurch in die Lage zu versetzen, einen informierte Entscheidung zu treffen. Man bezeichnet dies mit dem englischen Begriff „Informed Consent“.
Die Behandlung von Brustkrebs ruht auf zwei Säulen, der örtlichen Therapie (also der Brust und der Achsellymphknoten) und der systemischen Therapie (also des ganzen Körpers). Die örtlichen Therapien sind Operation und Bestrahlung, die systemischen Therapieoptionen sind Antihormontherapien, Chemotherapien und eine immer größer werdende Zahl zielgerichteter Therapien. Welche dieser Optionen empfohlen werden hängt von den obengenannten Faktoren ab.
Operation: Insbesondere in der Situation der frühen, örtlich begrenzten Brustkrebserkrankung ist die Operation ein wichtiger Therapieschritt. Dabei ist es sehr oft möglich, die Brust zu erhalten, selten ist eine Entfernung der Brust notwendig. In diesen Fällen gibt es aber natürlich die Option, die Brust zu rekonstruieren, je nach Situation mit Prothesen oder mit Eigengewebe. Bei der Operation der Achselhöhle ist es meistens möglich, nur eine geringe Anzahl von Lymphknoten, die sogenannten Wächterlymphknoten (die so heißen, weil sie die Achselhöhle „bewachen“), zu entfernen. Nur selten muss eine größere Anzahl Lymphknoten entfernt werden. In ausgewählten Fällen kann auch ganz auf die Entfernung von Lymphknoten verzichtet werden.
Strahlentherapie: Nach oder während einer brusterhaltenden Operation ist in der Regel eine Bestrahlung notwendig, in einigen Fällen auch nach Entfernung der gesamten Brust. Bei Erkrankten mit Metastasen wird die Bestrahlung oft eingesetzt, um Symptome zu lindern.
Chemotherapie: Chemotherapien zielen vor allem darauf, Brustkrebszellen, die im Körper unterwegs sind, zu zerstören und so das Rückfallrisiko zu reduzieren. Sie werden nur bei Erkrankten mit erhöhtem Rückfallrisiko eingesetzt. Wenn eine Chemotherapie notwendig ist, wird sie in der Regel vor der Operation durchgeführt, um das Ansprechen des Tumors kontrollieren zu können. Auch bei der fortgeschrittenen Erkrankung werden in bestimmten Situation Chemotherapien durchgeführt.
Antihormontherapie: Antihormontherapien machen sich den Umstand zunutze, dass das Wachstum von Brustkrebszellen in etwa 75% der Fälle durch weibliche Sexualhormone gesteuert wird. Ob die Zellen hormonempfindlich sind, wird bei der Routineuntersuchung des Gewebes mitbestimmt. Die antihormonell wirksamen Medikamente wirken entweder direkt an den hormonempfindlichen Zellen oder unterdrücken die Bildung von Sexualhormonen im Körper. In der heilbaren Situation werden diese Medikamente über einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren eingesetzt. Auch bei der metastasierten Erkrankung wird dieses Therapieprinzip häufig verwendet, dann allerdings in der Regel in Kombination mit zielgerichteten Medikamenten.
Zielgerichtete Therapie: Zielgerichtete Medikamente (oft Antikörper, zum Teil aber auch andere Wirkprinzipien) blockieren Vorgänge in Krebszellen, die für ihr Wachstum wichtig sind oder machen sie angreifbar für das Immunsystem. In vielen Fällen haben die Zellen spezielle Bindestellen, an denen die Therapien angreifen. Zielgerichtete Therapien werden sowohl in der frühen Situation als auch bei der metastasierten Erkrankung eingesetzt. Übrigens: Im Grunde genommen sind natürlich die obengenannten Antihormontherapien zielgerichtet, auch wenn sie meistens nicht in dieser Gruppe genannt werden.
Supportive Behandlungen: Zusätzlich bekommen viele Patientinnen und Patienten mit Brustkrebs unterstützende Therapien, die Symptome oder Therapienebenwirkungen lindern sollen. Auch wenn sie also nicht direkt gegen die Brustkrebserkrankung gerichtet sind, sind sie doch ein wichtiger Teil der Behandlung.
Komplementäre oder alternative Verfahren: Viele Erkrankte informieren sich über alternative oder komplementäre (ergänzende) Behandlungsmethoden. Ob sie in der persönlichen Situation empfehlenswert sind, sollte immer mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten besprochen werden. Viele dieser Therapie können zur Behandlung von Nebenwirkungen eingesetzt werden, ein Ersatz für die gegen den Krebs gerichtete Therapie sind sie nie.
Ganz wichtig: Bis auf sehr wenige Ausnahmen ist Brustkrebs kein Notfall. Das bedeutet, dass immer genug Zeit ist, alle erforderlichen Untersuchungen abzuwarten, die Optionen abzuwägen und auch eine zweite Meinung einzuholen.
Die Behandlung von Brustkrebs sollte nur in speziell darauf ausgerichteten Einrichtungen, den Brustzentren, durchgeführt werden. Dort ist immer ein Team aus verschiedenen Berufen und Fachrichtungen an der Behandlung beteiligt. Dazu gehören Gynäkologen, gynäkologische und internistische Onkologen, Radiologen, Pathologen, Strahlentherapeuten und andere medizinische Fachrichtungen. Aber auch andere Berufe wir auf Psychoonkologie spezialisierte Psychologen, Krankengymnasten, spezialisiertes Pflegepersonal wie zum Beispiel Breast Nurses sowie Sozialarbeiter gehören zum Behandlungsteam. Für die Abklärung bösartiger und auch gutartiger Veränderungen der Brust sowie alle notwendigen Termine rund um die Behandlung von Brustkrebs haben die Brustzentren spezialisierte Brustsprechstunden.
Therapieentscheidungen werden in Brustzentren nicht von einzelnen Ärztinnen oder Ärzten, sondern immer in einer aus mehreren Fachdisziplinen besetzten Tumorkonferenz gefällt. Aber Vorsicht: Der Begriff „Brustzentrum“ ist nicht geschützt. Dass man in einer Einrichtung ist, in der die hohen Qualitätsstandards eingehalten werden, die für Brustzentren gelten, erkennt man daran, dass es ein zertifiziertes Brustzentrum ist. Diese Zertifikate werden entweder gemeinsam von der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Senologie (Senologie = Brustheilkunde) oder von der nordrheinwestfälischen Zertifizierungsstelle ÄKZert ausgestellt und jedes Jahr überprüft. Es ist nachgewiesen, dass bei Behandlung in einem zertifizierten Brustzentrum die Überlebensrate 20% besser ist als bei Behandlung in einer nicht zertifizierten Einrichtung.